Rede des ZED-Vorsitzenden auf der Veranstaltung der CSU Forchheim

Im Rahmen einer Veranstaltung der CSU in Forchheim hielt der Vorsitzende des Zentralrats der Êzîden in Deutschland Dr. Irfan Ortac eine Rede.

Neben dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Bundestag waren die Herren Thomas Silberhorn, Staatssekretär im Bundesministerium für Zusammenarbeit (BMZ) und Michael Hoffmann, Mitglied im bayerischen Landtag, anwesend. Das Thema dieser wichtigen Veranstaltung war die Christenverfolgung.

Rede des Vorsitzenden des Zentralrats der Êzîden in Deutschland Dr. Irfan Ortac:

Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Kauder,
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Silberhorn,
Sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Hoffmann,
Meine Damen und Herren,

ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung und freue mich sehr, heute hier sein zu dürfen.
Unsere Geschichte war schon immer geprägt von Verfolgung und Vertreibung, von Gewalt und Versklavung, von Demütigung und Benachteiligung. Und das Elend scheint niemals ein Ende zu finden!
Das Thema heute ist die Christenverfolgung. Ich bin zwar kein Christ, aber die Leidensgeschichte meiner Glaubensbrüder und –schwester und die der Christen im Nahen Osten ist gleich.

Vor 102 Jahren, am 24. April 1915 begann man auf Befehl des Sultans die armenischen Christen in der heutigen Türkei zu ermorden. Den Massenmorden fielen nach unabhängigen Berechnungen insgesamt über 1,5 Millionen Armenier, Assyrier, Aramäer und Chaldäer zum Opfer. Viele Gebiete, aus denen die Christen vertrieben worden waren, wurden mit muslimischen Kurden besiedelt.

Um auch im Falle der Eziden ein historisches Beispiel zu nennen; Der muslimische Emir von Botan hat im Jahre 1832 entschieden, alle Kufar, sprich alle Eziden, zu islamisieren. Dabei hat er in der Region Tur Abdin und Sheikhan zehntausende umbringen lassen, ebenso viele zwangsislamisiert und die Frauen und Töchter der getöteten versklavt. Eine ähnliche Parallele erleben wir auch heute; Christen und Eziden werden in ihrer Ur-Heimat in Tur Abdin, in Irak und in Syrien ermordet, vertrieben und ihr Land beschlagnahmt. Ezidische und Christliche Dörfer in der Türkei werden auch im Jahr 2017 von muslimischen Kurden mit Duldung der Behörden besetzt und ihr Ackerland für sich bewirtschaftet.
Seit 2010 haben rund 500.000 der vormals zwei Millionen Christen aus Angst vor der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) Syrien verlassen. Der IS ermordet, verschleppt und foltert sie mit unvorstellbarer Gewalt. Alle Kirchen und Klöster im IS-Gebiet sind zerstört worden. Im Irak hat sich innerhalb von 15 Jahren die Zahl von 1,2 Millionen Christen auf derzeit noch 250.000 verringert. Und auch die wollen die Region verlassen, Herr Fraktionsvorsitzender.

Am Abend des 02.08.2014 begannen die Terroristen des Islamischen Staates (IS) ihren Angriff auf das überwiegend von Eziden bewohnte Gebiet Sinjar (Shingal). Die Eziden in der gesamten Sinjarprovinz verließen in Panik und voller Furcht ihr Zuhause und konnten meistens nur das mitnehmen, was sie am Leib trugen. Der Islamische Staat (IS) verübte ein Massaker an diejenigen, die nicht fliehen konnten. Bis heute befinden sich noch Tausende in der Hand des IS.

Meine sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Kauder,

ich bin heute hier, um nicht nur darüber zu berichten, wie sehr die Christen, Eziden, Mandäer und andere religiöse Minderheiten im Nahen Osten seit Jahrhunderten ausgerottet werden. Ich bin auch heute hier, um Sie und die anderen Entscheidungsträger für die Frage “was wir machen können?” zu sensibilisieren.
Eins vorweg; Den Einsatz dieser Bundesregierung für die verfolgten religiösen Minderheiten im Nahen Osten möchte ich nicht unerwähnt lassen. Schon in den ersten Tagen hat unsere Bundesregierung Millionen bereitgestellt, um das Leid der Vertriebenen in den Flüchtlingslagern zu lindern. Wir haben knapp ein Jahr später unsere Tür geöffnet, um die Menschen, welche vor Krieg geflohen sind, aufzunehmen.

Ich, als Verfassungspatriot der Bundesrepublik Deutschland, glaube an das Recht auf Asyl. Dieses Recht ist genauso in die Faser unserer Nation eingewebt wie die Würde des Menschen.

Das Recht auf Asyl ist ein wichtiges Werkzeug, um die politisch Verfolgten dieser Erde zu schützen. Unsere oberste Priorität muss es jedoch sein, die Menschen in ihrem Land zu schützen und ihnen in Ihrer Heimat eine Zukunft zu ermöglichen.

Der Nahe Osten war ein heterogenes Sammelbecken für verschiedene Religionen und Völker mit verschiedenen Glaubens- und Weltbildern. Wir riskieren, dass dieser Sammelbecken zu einer homogenen Islamischen Region wird. Die älteste christliche Gemeinde dieser Welt liegt nicht in Zentraleuropa, sondern im Nahen Osten. 1800 Jahre lang läuteten in Mosul die Kirchenglocken, seit 2014 schweigen die Glocken. Sie schweigen, weil die Männer, welche die Glocken zum Läuten gebracht haben, ermordet wurden oder geflohen sind und die Kirchen zerstört oder zu Moscheen umgewandelt wurden.

Sehr geehrter Herr Kauder,
im Oktober 2016 erinnerten Sie sich in Würzburg an einer Begegnung mit Christen und Eziden im Irak; Ich zitiere: „Und ich höre heute noch den Ruf von Jesiden und von Christen in Erbil und Dohuk: „Lasst uns nicht allein, helft uns, kämpft für uns oder gebt uns Waffen, damit wir uns selbst verteidigen können.

Mit Verlaub, obwohl sehr viel Humanitäre Hilfe von der internationalen Staatengemeinschaft in den Nordirak fließt, ist die Kritik, dass davon wenig bei den Flüchtlingen ankommt, groß. Die Hilfe sei nicht nachhaltig und vor allem die ezidische Gemeinschaft sei in keinsterweise bei der Verteilung berücksichtigt. Ich war mehrmals im Irak und meine Beobachtungen dazu zeigen, dass weder die Eziden noch die Christen eine große Rolle bei der Nachkriegszeit spielen. Sie haben weder politische noch wirtschaftliche Perspektiven im Land zu bleiben, wenn wir nicht politisch intervenieren. Ergo, sie wandern alle aus.

Gerne werde ich Ihnen dieses bei einem persönlichen Gespräch ausführlicher erläutern. Diese Menschen sollten ihr Land mitgestalten!

Apropos Gestalten. Gerne würden auch wir unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, mitgestalten. Wir, als Bürger dieses Landes, haben die Pflicht, unsere Demokratie und die offene Gesellschaft zu schützen. Die Auseinandersetzung mit dem radikalen Islamismus, der für mich zweifelsohne der Feind einer offenen Gesellschaft ist, muss mutiger geführt werden. Gegen die Ideologen des Terrors in den salafistischen Moscheen, muss, aus meiner Sicht, in Zukunft „Null Toleranz“ gelten.

Auch hier stellen wir leider fest, dass weder wir noch die Orthodoxen Christen in den Beratungsgremien der Bundesregierung Platz finden. Vielleicht ändert sich das ja!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Forchheim, 25.02.2017

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